Stuttgart – die Hauptstadt des Bundeslandes Baden-Württembergs – ist einer meiner Sehnsuchtsorte. Da ich früher nicht weit entfernt gewohnt habe, ist diese Stadt wie ein Stück Heimat für mich. Teilweise kenne ich Stuttgart wie meine Westentasche und trotzdem entdecke ich immer wieder neue Orte, die mir bis dato völlig unbekannt waren. So erging es mir auch mit dem chinesischen Garten. Ich bin tatsächlich bei einer Internetrecherche auf ihn gestoßen und habe ihn bei meinem nächsten Tripp nach Stuttgart gleich einmal besucht. Es ist kaum zu glauben, welches Kleinod sich in einem Wohngebiet zwischen Innenstadt und Killesberg befindet. Bereits beim Hindurchschreiten des Eingangsportals fühlt man sich sofort in eine andere Welt und Zeit versetzt. Kommst Du mit und besuchst ihn mit mir?

Der Garten ist insgesamt sehr übersichtlich und gliedert sich sofort erkennbar in zwei Bereiche. Der eine Teil umfasst die „Halle der Freundschaft“, ein kunstvolles Gebäude mit geschwungenem Dach und wunderschönen Holzschnitzereien, dass als Zentrum des Gartens gesehen werden kann. Erreicht wird das Gebäude über eine gezackte Brücke, die sich über einen Teich mit Kois bewegt. Hier finden immer wieder Veranstaltungen statt, so dass das Gebäue auch mal von innen besichtigt werden kann. Der Zweite Teil des Gartens ist eine hohe Felsformation an der ein kleiner Wasserfall herunter sprudelt und auf seinem höchsten Punkt einen Pavillon zu finden ist. Es ist der „Pavillon der vier Himmelsrichtungen“, der Besucher aus allen dieser Himmelsrichtungen heranlocken soll. Es braucht nicht viel Zeit diese Bereiche zu erkunden. Wenn man jedoch die Symbolik in diesem Garten verstehen und sich darauf einlassen möchte, kann man dort sehr lange verweilen.




„Generell sind chinesische Gärten als Metapher der Welt zu sehen: sie stellen in ihrem kleinen begrenzten Raum dar, was in der Landschaft wahrgenommen und erlebt wird. Sie sind also ein Mikrokosmos in dem das Essenzielle der Natur wiedergegeben wird. Steinformationen stellen damit ganze Berge oder Gebirgsketten dar, Teiche erzählen vom großen Meer und kleine Gartenpflanzen beschreiben in ihrer Wuchsform große alte Bäume und andere natürliche Vegetationen. Damit sind chinesische Gärten auch als kleine Kunstwerke zu sehen, in denen alles bis ins kleinste Detail komponiert ist. „
Sven Beck
Beetwunderung.de

Im Garten der Melodie ist das Gesamtkonzept chinesischer Gärten gut erkennbar, allerdings ist die Bepflanzung nicht so gut erhalten. Der Garten gehört mittlerweile dem Verschönerungsverein Stuttgart e.V. und man kann sich vorstellen, dass es eine unglaublich arbeitsintensive und kostspielige Angelegenheit ist, einen so kunstvollen Garten bis ins kleinste Detail zu erhalten. Das es diesen Garten überhaupt noch gibt, ist den Stuttgartern Bürgern zu verdanken, denn einst zierte dieser Garten die „Internationale Gartenbauausstellung (IGA)“, die 1993 in Stuttgart stattfand. Der chinesische Garten gehörte zu den Nationengärten und kristallisierte sich schnell zum Publikumsliebling heraus. Bauherr war die Partnerprovinz von Baden-Württemberg Jiangsu. Nach der Messe sollte der Garten weiterhin für die Stuttgarter Bürger erhalten bleiben. Im denkmalgeschützten Rosensteinpark konnte er jedoch nicht bleiben und so wurde mit einem enormen Spenden- und Kraftaufwand ein neuer Standort geschaffen, an dem er noch heute zu finden ist.



Überall im Garten lassen sich sogenannte Taihu-Steine finden, die die Fantasie des Betrachters anregen sollen. Manchmal erscheinen sie wie menschliche Gestalten, manchmal wie ein Tier oder Wolken, die über den Himmel ziehen. So lautet zumindest die Beschriftung an einer dieser Steine. Sie wurden direkt aus China importiert und stammen aus dem Taihu-See westlich von Shanghai. In diese besonders geformten Steine, die sich überall im Garten finden lassen, wird schon seit jeher viel hinein interpretiert. Generell ist dieser Garten gespickt von Symbolik und das fängt bereits mit dem Namen des Gartens „Qingyin“ an. Dies lässt sich als „Garten der Melodie“ übersetzen und entspringt aus einem chinesischen Gedicht mit dem Titel „Qing Yin Garten“ von Zuo Si, in dem es um die Geräusche der Natur geht: „Nicht nur Laute und Flöten, sondern auch Berge und Wasser ergeben eine schöne Melodie.“

Ich besuche den Garten an einem Sonntagmorgen. Die Stadt scheint noch müde zu sein und alles ist ruhig. Zudem ist der Garten in einem wenig frequentierten Wohngebiet platziert und so konnte ich die „Musik“ des Gartens ungestört in mich aufnehmen. Das Rauschen der Bäume, das plätschern eines kleinen Wasserfalls und das Singen der Vögel sind Geräusche, die sich recht einfach heraus hören lassen. Aber auch das blubbern der Kois, wenn sie an die Oberfläche schwimmen oder das Rascheln eines Tiers im Gestrüpp konnte ich wahrnehmen. Auch wenn man nicht viel mit solchen Naturgeräuschen anfangen kann, ist dieser Garten ein wunderbarer Ort. Es ist letztlich ein stiller Kraftort inmitten einer hektischen Stadt, der dazu einlädt zur Ruhe zu kommen. Mit Hilfe seiner abgrenzenden Ummauerung und der unglaublich harmonischen Gestaltung kann man hier unglaublich gut abschalten und zu sich kommen.
Mein Buch
„In meinem Buch „Blüh auf!“ findest Du weitere Gestaltungsgrundlagen und -ideen für Deinen Garten. Zudem erfährst Du, wie auch Dein Garten zu einem Ruhepol wird (Werbung).“


Die Gestaltung des Gartens ist besonders herausragend: Berge und Täler, bepflanzte und freie Plätze, ein Haus und ein Pavillion. Alle Grundstrukturen sind in einem guten Zustand und das ist dem Verschönerungsverein zu verdanken. Allerdings hat das auch seine Grenzen. Die Vegetation ist schon etwas verwildert und aus der Form geraten. Hier bräuchte es etwas mehr Pflege und beherztes zugreifen. Viele der Pflanzen müssten gestutzt und in die typische kunstvoll gestaltete Form gebracht werden. Manche Pflanzen sind bereits verschwunden und Wildkräuter haben deren Platz eingenommen. Was in hiesigen Gärten ein Segen sein kann, ist in einem Garten dieser Art mit all seiner Symbolik katastrophal. Hier bräuchte es dringend eine Überarbeitung und die Hilfe weiterer Kooperationspartner, denn all das ist nicht von einem Verein allein zu stemmen.



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„In meinem Buch „Blüh auf!“ findest Du weitere Gestaltungsgrundlagen und -ideen für Deinen Garten. Zudem erfährst Du, wie auch Dein Garten zu einem Ruhepol wird (Werbung).“

Trotzdem ist der Besuch dieses Gartens ein Muss, wenn man wie ich leidenschaftlich gärtnert. Zum einen ist dieser Garten ein Ruhepol, zum anderen ein Sammelsurium an Symbolen die entdeckt werden wollen, aber auch ein Beispiel für eine hervorragend gelungene Landschaftsarchitektur. Hier kann man erkennen, wie Flächen aufgeteilt und in verschiedene Höhen gestaffelt werden können. Wie einzelne Strukturen in Bezug gesetzt werden und ein Garten so interessant gestaltet wird, dass man immer wieder etwas Neues entdecken kann. Ein Beispiel, dass in seiner Grundstruktur nicht nur für asiatische Gärten, sondern für jegliche Arten von Gärten gelten kann. Wenn Du also einen Garten planst, kannst Du hier wichtige Grundlagen der Gartenplanung einfach erkennen.

Als letzten Punkt des Gartens habe ich mir den Pavillon auf dem Hügel erschlossen. Eine monumentale Steintreppe führt zwischen den Felsen zum „Pavillon der vier Himmelsrichtungen“ hinauf. Die Holzornamente an dem Pavillon sind unglaublich filigran und Kunstvoll gestaltet und zeugen von großer chinesischer Handwerkskunst. Hier kommt man nicht umhin den Kopf nach oben zu wenden und die wunderbaren Schnitzereien zu bewundern. Von hier oben hat man einen guten Blick über den Garten und das gesamte Gelände. Besonders beeindruckend ist jedoch noch etwas anderes, nämlich der Blick über den Talkessel von Stuttgart, hinweg zum Fernsehturm auf der Hügelkette gegenüber. Hier wird die Technik der geborgten Landschaft genutzt und die Landschaft außerhalb durch diese Blickachse in den Garten integriert. Ein Gestaltungselement, dass sich in vielen Gärten rund um die Welt erkennen lässt.

Der Besuch des Gartens hat gut getan. Ich kann nun wieder ruhig und gelassen in die hektische Alltagswelt zurückkehren und mache mich nun auf den Heimweg. Ich nehme so viele Eindrücke mit und bin beseelt von dieser wunderbaren Gartenerfahrung. Wenn Du den Garten unterstützen möchtest, kannst Du dem Verschönerungsverein eine Spende zukommen lassen oder Du besuchst diesen Garten einfach selbst. An der Information findest Du auch eine Möglichkeit, dem Verein etwas Geld zukommen zu lassen. Ich hoffe, Dir hat dieser Gartenbesuch Freude gemacht und Dich ein wenig für Deinen eigenen Garten inspiriert? Gerne darfst Du in den Kommentaren Deine Meinung zum Garten oder ergänzende Ideen hinterlassen. Ich freue mich immer über Rückmeldungen.
Viele schöne Gartentage wünscht Dir,
Dein Sven.
Weiterführende Links (Werbung ohne Gegenwert):
Garten der Melodie
„Hier findest Du die Homepage des „Chinagartens Stuttgart“ mit weiteren Informationen über den Garten selbst und den Verein.“

Sissinghurst – Rosengarten
„Warst Du schon in Sissinghurst? Hier zeige ich Dir den Rosengarten dieses wunderbaren Kleinods. Dieser Garten ist zudem auch Inspiration für meinen eigenen Garten.“

Mein Buch
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One Comment
Margeranium
Das ist wirklich eine tolle Sache. Kann mir schon vorstellen, dass die Pflege solch eines Gartens nicht so einfach zu bewältigen ist. In einem Naturgarten darf es schon mal ein wenig wilder zugehen… aber wenn Symbolik dazu kommt wird es schwierig!
Ich erinnere mich auch noch an den tollen Chinesischen Garten auf der IGA in München. Das war aber schon in den 80er Jahren!
Danke fürs Mitnehmen!
Viele Grüße von
Margit