Staudenskelette
Jedes Jahr im Herbst verwandeln sich unsere Staudengärten von einem grünen Paradies zu einem trostlos wirkenden braun-grauen Einerlei. Dann kommt schnell die Idee auf “Tabula rasa” zu machen und die Staudenskelette aus den Beeten zu entfernen. Schließlich soll zum Winter hin alles ordentlich und aufgeräumt sein! Entgegengesetzt zu diesem Vorgehen, gibt es zahlreiche Stimmen, die das Abschneiden der eingezogenen Stauden erst im Frühjahr anraten. Doch was macht wirklich Sinn? Schneidet man Stauden im Herbst oder Frühjahr?
So viel sei vorab schon einmal gesagt: Es gibt Gründe die sowohl für den Herbst, als auch für das Frühjahr sprechen. Somit muß jeder für sich den richtigen Weg finden und das “Für und Wider” der Schnittzeitpunkte abwägen. Vielleicht sogar eine Mischung aus beiden Vorgehen wählen. Damit Dir eine Entscheidung leichter fällt, habe ich die wichtigsten Punkte unter den Schlagworten Optik, Praktikabilität, Pflanzengesundheit und Naturschutz zusammengefasst. So kannst Du ganz sicher eine gute Entscheidung fällen.
Die Optik
Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters. So ist auch die Beetgestaltung im Winter Geschmacksache. Manche Menschen haben Gefallen an einem aufgeräumten und von Staudenskeletten befreiten Beet. Vielleicht wird sogar noch mit Kompost gemulcht und damit die Erde gut abgedeckt. So wirken immergrüne Pflanzen für sich und werden nicht von braunen Stängeln und wirrem Geäst verdeckt. Dann kann das Beet zur perfekten Bühne für winterliche oder weihnachtliche Dekorationen werden, die ungehindert auf der glatten Fläche präsentiert werden können. Letztlich ist diese Version des herbstlichen Schneidens die Möglichkeit eine leere Leinwand zu hinterlassen, die ungenutzt bleiben oder mit viel Kreativität gefüllt werden kann.
Aber auch das Schneiden im Übergang zum Frühling bringt optische Highlights, denn dann wird die Natur selbst zum Akteur. Besonders schön wirken Samenstände, Beeren und Verblühtes, wenn sie mit Raureif überzogen sind. Die weissen Kristalle leuchten und glitzern an den Staudenskeletten und verwandeln das Beet in ein Winterwunderland. Auch bei Schnee spitzen die abgestorbenen Stängel aus dem Weiss heraus und bringen Abwechslung ins monochrome Winterreich. So erhält man die wichtige Struktur eines Beetes auch über die kalten Monate hinweg aufrecht. Besonders schöne Strukturpflanzen, wie beispielsweise die der Hortensien oder der Kugeldisteln hinterlassen zudem die Idee des Sommers im Beet und zeugen vom Kreislauf der Natur.
Die Praktikabilität
Betrachtet man das Schneiden aus rein praktikabler Sicht, hat der Herbstschnitt durchaus seine Vorteile. Die Stauden sind zu diesem Zeitpunkt fast alle eingezogen und deshalb kann man sich problemlos über das Beet bewegen, ohne die Angst haben zu müssen etwas zu zertreten. Im Frühjahr spitzen bereits erste Triebe der Stauden und die Blätter der Blumenzwiebeln aus dem Boden. Dann wird das Schneiden zu einem Balanceakt, wenn keines der zarten grünen Triebe zerstört werden soll. Das gilt auch für das Schneiden selbst. Wer im Frühjahr schneidet muss aufpassen, das mit den alten Stängeln, keine neuen Triebe abgeschnitten werden. Bei Stauden, die viele kleine Stängel bilden kann das extrem kompliziert und zeitaufwendig werden.
Manche der Stauden haben zudem einen schnellen Zersetzungsprozess und sind zum Frühjahr hin bereits weich und matschig. Dann wird das Schneiden zu einer Qual. Die Stängel lassen sich aufgrund ihrer losen Struktur kaum mehr mit der Schere abtrennen oder matschen das Schneidewerkzeug ein. Der Zeitaufwand des Schneidens wird so unglaublich größer und der Spaßfaktor sinkt gegen Null. Allerdings ist die Motivation zur Gartenarbeit im Frühjahr um einiges Größer und macht die erhöhten Anstrengungen meist wieder wett.
Die Pflanzengesundheit
In der Natur kommen Stauden wunderbar damit zurecht, wenn die Skelette über den Winter hinweg stehen bleiben. Das trifft auch auf die meisten unserer kultivierten Stauden zu. Allerdings ist durch das Züchten auch die eine oder andere empfindliche Staude entstanden, die leicht zu Erkrankungen neigt. Für solche Stauden ist es sinnvoll alles im Herbst zu entfernen, dass potenzielle Krankheitserreger enthalten kann – sprich abgestorbene Stängel, Blätter und Früchte. So kann ein erneutes Anstecken im Frühjahr vermieden werden.
Das Werkeln im Herbst verführt auch dazu, zu früh zu schneiden. Dann hat die Pflanze keine Möglichkeit mehr alle Kraft aus dem oberirdischen Pflanzenmaterial herauszuziehen, da es bereits entfernt wurde. So kann der Neuaustrieb bei der einen oder anderen Staude geschwächt werden. Die Größe oder die Blütenfülle fällt dann im nächsten Jahr deutlich geringer aus. Somit sollte beim Herbstschnitt gewartet werden, bis alle Stauden eingezogen sind. Im Frühjahr hingegen kann man sicher sein, diesen Fehler nicht mehr zu begehen.
Generell ist alles Abgestorbene, dass die Staude und den Boden drumherum bedeckt, ein natürlicher Winterschutz. Die Natur sorgt gut für sich selbst und schafft mit der natürlichen Abdeckung durch Blätter, Stängel und Blüten einen optimalen Schutz vor Frost, der nur durch eine dicke Schicht Schnee getopt werden kann. Deshalb macht es durchaus Sinn, alles auf den Beeten bis zum Frühjahr liegen zu lassen. Selbst dann sollte man überlegen, ob es zur horizontalen Kompostierung im Beet verbleibt. So werden die Pflanzen auf natürlichem Wege gedüngt.
Der Naturschutz
Einer der wichtigsten Gründe für den Verbleib der Staudenskelette bis zum Frühjahr ist der Naturschutz. Die Tierwelt nimmt stetig ab. Immer mehr Tiere sind vom Aussterben bedroht oder bereits aus unserer Natur verschwunden. Sichere Lebensräume werden zur Mangelware. Deshalb ist es wichtig, unsere Gärten zu einem Zufluchtsort für verschiedene Tierarten zu machen. Einen wichtigen Beitrag dazu kann das Schneiden der Staudenskelette im Frühjahr leisten. Die abgestorbenen Stängel, Blüten und Samenstände sind Überwinterungsort für viele Insekten und vor allem auch von Nützlingen. Schneidet man sie bereits im Herbst ab, fehlt ein sicheres zu Hause in unseren ungemütlichen Wintern.
Auch die Samenstände haben eine Wichtige Funktion. Sie sind dringend benötigtes Futtermaterial von Vögeln und kleinen Nagern und sollten deshalb bis zum Frühjahr im Beet verbleiben. So fördert man die Vielfalt an Vögeln im Garten, da man zu herkömmlichem Winterfutter ein größeres Spektrum an Körnern bereit stellen kann. Zudem nutzen Vögel und Nager das Pflanzenmaterial zum Ausstatten des Winterquartiers oder von Vogelnestern im Frühjahr. So kommt den Pflanzen eine neue und sinnvolle Funktion zu. Wenn das mal nicht nachhaltig ist!
So mache ich es!
Für mich wiegt das Argument zum Schutz der Natur am meisten. Ich möchte, dass viele Nützlinge meinen Garten bereichern und ich somit viel Arbeit spare, die ich sonst zur Schädlingsbekämpfung aufbringen müsste. Deshalb lasse ich möglichst viel der Samenstände im Garten stehen. Allerdings gibt es auch Ausnahmen.
Letztes Jahr im Herbst musste ich eine große Anzahl an Blumenzwiebeln im Senkgarten pflanzen. Damit ich die Beete dort besser bestücken konnte, habe ich die Staudenskelette alle entfernt. So konnte ich leichter zwischen den Stauden durch das Beet laufen und die Zwiebeln im Boden versenken. Dieses Jahr wird nicht so viel gepflanzt, so dass die Skelette stehen bleiben dürfen.
Es gibt aber auch Stauden, die ich ganz bewusst im Herbst schneide. Das sind solche, die sich schnell zersetzen und im Frühjahr nur noch Matsch sind oder sich zu sehr versamen. Auch im Vorgarten schneide ich etwas mehr ab, als in den sonstigen Gartenbereichen. Dort bleiben nur solche Staudenskelette stehen, deren Aufbau über den Winter erhalten bleibt. An diesem Ort ist mir die Optik sehr wichtig, da dieser Teil des Gartens immer im Blick bleibt. Auch über den Winter hinweg wird geschnitten, wenn beispielsweise Stängel ungünstig umknicken und in den Weg hinein ragen oder ein optisch unschönes Bild durch Zersetzung entsteht.
Der Schnittzeitpunkt
Ich schneide in der Regel Ende Februar, also noch im Winter und nicht wirklich im Frühjahr. Ich beobachte, wann die ersten kleinen Triebspitzen der Stauden erscheinen. Dann ist der Zeitpunkt zum Schnitt gekommen. Das abgeschnittene Material lasse ich noch bis Mitte März im Garten liegen bevor ich es selbst kompostiere oder zum Kompostieren bringe. Dann haben die Insekten die Chance wieder in den Garten zu krabbeln, bevor es dem Schnittgut an den Kragen geht. Zukünftig möchte ich mir einen Häcksler anschaffen, damit alles klein gemacht im Garten verbleiben kann. Ein in sich geschlossener Kreislauf entsteht.
Im Herbst schneide ich, wenn alle Stauden vollständig eingezogen sind. Das ist sogar oft erst zu Anfang des Winters. Dann hat man die Gewissheit, dass alle Kraft bereits in den unterirdischen Teilen der Pflanze gespeichert ist. Wer möchte, kann das Schnittgut in den Beeten zum Winterschutz und als direkte Kompostierung belassen. Dann empfehle ich allerdings das Material vorher klein zu schneiden, damit es besser auf dem Boden aufliegt und damit gut verrotten kann. Kranke Pflanzenteile sollten allerdings aussortiert und in den Restmüll geworfen werden.
Ich hoffe, ich konnte Dir bei der Entscheidung des Schnittzeitpunkts helfen? Ich bin jetzt mit meiner Mischtechnik und dem Hauptschnitt im Frühjahr sehr glücklich. Mit der Zeit ist es mir immer leichter gefallen, den Schnitt vom Herbst auf das Frühjahr zu verlagern. Vor allem bin ich zu dieser Zeit viel motivierter, als im Herbst und jegliche Gartenarbeit geht leicht von der Hand. Gestalte die Arbeit in Deinem Garten so, dass es gut für Dich ist. Das macht letztlich glücklich und die Gartenarbeit leichter. Jetzt aber ran an die Staudenskelette!
Auf einen schönen Herbst! Liebe Grüße,
Dein Sven.
Weiterführende Links (Werbung ohne Gegenwert):
Vor dem Staudenschnitt erfolgt die Samenernte.
4 thoughts on “Staudenskelette”
Lieber Sven,
Vielen Dank für den tollen Beitrag. Ich finde grundsätzlich auch dass man naturgetreu eher erst mal alles so stehen lassen sollte. Allerdings ist mein Garten in einer Zone wo oft bis Mitte April noch Schnee liegt und so bin ich immer unsicher wann ich dann mit dem Rückschnitt anfangen kann. Dieses Jahr habe ich mich gar nicht getraut weil es fast direkt vom Schnee in den warmen Frühling übergegangen ist und ich somit den Zeitpunkt verpasst habe!
Was würdest du mir raten?
LG Emilie
Liebe Emilie,
im Grunde genommen geben Dir die Stauden den Zeitpunkt des Schneidens an. Sobald sie anfangen zu treiben, solltest Du zeitnah schneiden. Es macht auch nichts aus, wenn es nach dem Rückschnitt noch einmal schneit. Der Schnee hält den Frost von den Stauden ab. Ich nehme mal an, dass Deine Stauden winterhart sind. Dann ist das sowieso kein Problem, denn der Rückschnitt macht sie nicht empfindlicher der Kälte gegenüber.
Sollten die Stauden bei Dir allerdings schon unter der Schneedecke treiben, würde ich eher im Herbst schneiden. Zumindest die Pflanzen, die dann schwierig zu schneiden sind, weil die Neutriebe und das alte Abgestorbene klein und fein sind und es schlecht zu trennen ist. Lass in diesem Fall nur die Stauden stehen mit weniger, aber dickeren Stängel. Die kann man trotz Neuaustrieb einfach schneiden. Das wäre dann ein Kompromiss. (Gräser allerdings immer erst im Frühjahr schneiden!)
Ich hoffe, ich konnte Dir helfen. Falls Du noch weitere Fragen hast, darfst Du Dich gerne wieder melden.
Se lieb gegrüßt,
Sven.
Hallo Sven,
vielen Dank für den interessanten Artikel, ich muss gestehen, dass ich bei uns im Garten einfach nach Gefühl schneide, einen festen Plan habe ich da gar nicht. Vieles bleibt im Winter stehen, einiges schneide ich allerdings schon im Herbst, und bisher bin ich damit gut gefahren. Zwischendurch muss dann manches geschnitten werden, da es umgeknickt ist, sei es durch Wind oder Schnee und wenn es anfängt zu Faulen, ist es ja auch nicht gut.
Einen Häcksler kann ich Dir nur empfehlen, wir haben ihn schon sehr lange und jetzt in den trockenen Sommermonaten habe ich viel Schnittgut auf die Beete verteilt, damit sie nicht noch mehr austrocknen.
Herzliche Grüße
aus dem Taunus
von Anke
Ps.: Wenn ich eines noch sagen darf: Der Ausdruck “Staudenskelette” gefällt mir so gar nicht … denn besonders mit Schnee können es Schönheiten sein.
Hallo Sven ,
bei mir im Garten werden im Herbst nur die Pfingstrosen , Krankes und nicht Standfestes geschnitten . Der Rest darf stehen bleiben .
Im Frühjahr fahre ich dann mit der Heckenschere darüber in mehreren Schnitten schwenkend von oben herunter , so habe ich dann die Reste gleich zerkleinert im Beet liegen , wo sie verbleiben dürfen .
Die letzten Blütenstände vom Brandkraut aus 2021 stehen immer noch in der Fläche zwischen den nuen Blütenständen . Die Insekten freut es wahrscheinlich .
V.G. Reinhold