Das Charleston Farmhouse
Meine Reise nach Großbritannien war nicht nur eine Gartenreise. Ich wandelte auch auf den Spuren der Bloomsbury Group. Im Gepäck passende Literatur und im Herzen die Verbundenheit mit einer Gruppe, die die Welt versuchte zu revolutionieren. Ein Ankerpunkt dieser Gemeinschaft war das Charleston Farmhouse, deren Besitzerin Vanessa Bell eine der wichtigsten Figuren um Bloomsbury und zudem die Schwester der bekannten Autorin Virginia Woolf war.
Die Bloomsbury Group war ein Zusammenschluss intellektueller junger Menschen zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts. Sie versuchten mit allen Mitteln der Kunst Einfluss auf das gesellschaftliche Leben zu nehmen und eröffneten somit den Weg in die Moderne. Begründer waren unter anderem zwei der Stephens Brüder, die nach einiger Zeit ihre Schwestern Virginia und Vanessa mit in die Gruppe integrierten.
Mittels Literatur, Malerei, und Design versuchten sie eine neue Art des Lebens zu implementieren, die Grundbaustein unserer heutigen westlichen Gesellschaftsstruktur ist. Fasziniert von deren Wirken, hatte ich mich auf viel Geschichte eingestellt und nicht auf einen Garten. Doch was sich mir dann bot, war unglaublich. Innerhalb eines ummauerten Gartens entdeckte ich den schönsten Cottagegarten, den ich bisher gesehen hatte.
Kommt man am Farmhouse an, erlebt man zuerst ein Sammelsurium an Gebäuden: Scheunen, Nebengebäude, das Haupthaus, ein Café, ein Souvenirladen und seit neuestem auch ein Museum. Es ist erst einmal nett, aber nicht sonderlich beeindruckend. Wenn man dann allerdings am Haupthaus angekommen ist und um die Ecke schauen kann, eröffnet sich ein wunderbares Bild. Das Haupthaus ist mit Rosen und anderen Kletterpflanzen bewachsen. Davor erschließt sich eine traumhafte Gartenlandschaft die von einem See und wohlgeformten alten Bäumen bestimmt wird. Seerosen tummeln sich auf dem Wasser und drum herum führt ein Pfad, der gesäumt ist von den Kunstwerken der Gruppe.
Gegenüber am Haus führt ein Weg zu einem ummauerten Garten, welcher sich an der Rückseite des Haupthauses öffnet. Hier blieb mir fast das Herz stehen, so ergriffen war ich von diesem Anblick. Ein wahres Gartenjuwel entfaltete sich nach und nach beim durchschreiten des Eingangsportals. Tausende Blütenköpfe empfingen mich mit ihrer heiteren Gelassenheit. Alles wirkte, wie zufällig entstanden und war sicherlich bis ins kleinste Detail so geplant.
Dieser Garten hat all das, was einen Cottagegarten ausmacht: eine heitere und lässige Gelassenheit. Dieses Gefühl schwappt sofort über und man will gar nicht mehr gehen. Getoppt wird das ganze von den schönen Kunstwerken und Designideen der ehemaligen Bewohner. Mal ist eine Figur in einer Ecke drapiert, mal ist ein Brunnen künstlerisch gestaltet oder ein Mosaik in den Boden eingelassen. Bleibt man aufmerksam, findet man an vielen Stellen schöne Inspirationen.
In der Mitte des Gartens eröffnet sich eine Rasenfläche, an deren Ende sich ein mit Mosaiken gestaltetes Wasserbassin befindet. Hier darf das Auge erst einmal ruhen, bevor man auf verschlungenen Wegen wieder in die Üppigkeit des Cottagegartens eintaucht. Die Bäume sind meist Obstbäume und es gibt auch einen Gemüsegarten. Während des zweiten Weltkriegs wurde Charleston besonders wichtig. Hier konnte man sich selbst mit Obst und Gemüse versorgen und war zudem vor den Bombenangriffen, die vornehmlich Städte heimsuchten, sicher.
Der Gemüsegarten wird von einer Wolkenmauer aus Buchs vom restlichen Garten getrennt. Dort findet man alles, was den Gemüsegärtner glücklich macht: Salat, Bohnen, Artischocken, Erbsen, Zwiebeln, Lauch und vieles mehr. Auch Kräuter lassen sich in diesem Gartenteil finden. Immer wieder schleichen sich ein paar Blumen zwischen das Gemüse und so entsteht ein wunderschön lässig gestalteter Gemüsegarten. Ganz nach Cottage-Art.
Das Hauptaugenmerk der meisten Besucher liegt auf dem Wohngebäude. Es ist im Inneren zum Großteil noch so eingerichtet, wie es zu den Zeiten von Vanessa Bell war. Eine Führung durch das Gebäude bringt die Besucher zurück in die glücklichen, aber auch unglücklichen Tage der Bewohner und endet im Atelier, in dem man glaubt, dass der Pinsel gerade erst aus der Hand gelegt wurde. Vanessas Tod ist das Ende der wunderbaren Führung. Traurig tritt man hinaus und wird letztlich von der Lebendigkeit des Gartens wieder getröstet. An diesem Ort lebt die Bloomsbury Group noch heute weiter.
Eine Staude, eine Iris, ist mir beim Verlassen des Gartens nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Als Erinnerung an diese wunderbaren Stunden in Charleston, habe ich sie mir nach unserer großen Umgestaltung in den Garten geholt. Es ist eine Iris sibirica, die in den Farben Weiss und Gelb blüht und nun mein Double Border verzaubert. Ob es allerdings genau die gleiche Sorte ist, weiß ich nicht sicher, aber für mich ist es Vanessa und das Charleston Farmhouse.
An diesen Ort sehne ich mich oft zurück und ich bin mir sicher, dass viele Besucher ähnlich empfinden. Ich kann nur empfehlen, sich einmal mit der Bloomsburry Group und deren Geschichte zu beschäftigen. Sicher wirst Du darüber staunen, welchen Grundbaustein sie für unser heutiges modernes Leben gelegt haben.
Ich danke Dir, dass Du mich auf meiner Gartenreise begleitet hast. Es ist schön zu wissen, dass man diese Dinge auch virtuell teilen kann.
Liebe Grüße,
Dein Sven.
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5 thoughts on “Das Charleston Farmhouse”
Hallo Sven, was für ein schöner Reisebericht! Den Garten würde ich auch gern einmal besuchen! Ich finde es immer besonders interessant wenn noch ein Stück Kulturgeschichte damit verbunden ist… Freue mich uaf weitere Reiseberichte von dir! Falls es dich interessiert, schau doch mal hier: https://gartenkunst-blog.blogspot.com/. Ich habe vorwiegend Gärten in Italien besucht, noch nicht so viele in England… Liebe Grüße, Barbara
Liebe Barbara,
danke für Deinen lieben Kommentar. Dieser Artikel liegt mir sehr am Herzen. Deshalb freue ich mich umso mehr darüber.
Liebe Grüße, Sven.
Hallo Sven,
ach ist das eine Wohltat. Gärten zu besuchen, das hat mir im Corona-Jahr sehr gefehlt. Gerade in solch tristen Zeiten ist es doch wundervoll, Deine schönen Bilder zu schauen. Hab lieben Dank dafür.
Es grüßt Dich herzlich
Monika
Liebe Monika,
schön, dass Du auf meinen Blog gefunden hast. Ich freue mich, dass Dir meine Gartenreisen gefallen. Leider kann man es im Moment nicht live erleben, aber hoffentlich ist es bald wieder so weit. Bis dahin habe ich noch genug Stoff für virtuelle Gartenreisen.
Liebe Grüße,
Sven.
Herzlichen Dank, lieber Sven, dass du uns auf diese wunderbare Gartenreise “mitgenommen hast”. Gerade jetzt ist das Balsam für die Seele, wo wir diese herrlichen Gartenparadiese nicht selbst besuchen können. Du bist ein großartiger “Reiseführer” – und ich würde jederzeit wieder bei dir “buchen” 😉. Freue mich schon auf deine künftigen Reisen…..
Ganz liebe Grüße aus Österreich
Patrizia (Die Herzensgärtnerin®)