Nachruf für den Hermannshof
Mitten in der Weinheimer Innenstadt findet sich ein Unikum der deutschen Gartenkultur. Der dort befindliche Hermannshof ist deutschlands einzigster überwiegend privat betriebener Schau- und Sichtungsgarten. Die in Weinheim ansässige Familie Freudenberg führte 1980 ihr damaliges Anwesen mit Villa und großem Garten – unter der Trägerschaft eines Vereins – der öffentlichen Hand zu und finanziert mit der Firma Freudenberg 70% der jährlich anfallenden Kosten des Sichtungsgartens. Damit ist der Hermannshof unabhängig von staatlichen Interessen und kann seine Ausrichtung selbst bestimmen. Gerade das macht ihn so besonders. Doch damit ist jetzt Schluß!
Ich besuche den Hermannshof Ende August. Eine Zeit, in der die Gärten stark gelitten haben. Hitzewellen und Unwetter haben sich seit Wochen fortwährend abgelöst und den Pflanzen stark zugesetzt. Trotzdem sehen die Beete des Schaugartens weitgehend attraktiv aus. Selbst Beete mit Stauden, die ihren Wachstumszyklus in diesem Jahr bereits beendet haben, wirken mittels ihrer Staudenskelette immer noch dekorativ. Dieser Umstand ist der Forschungstätigkeit des Hermannshofs, allen voran der Leitung von Professor Cassian Schmidt zu verdanken, der wenige Tage nach meinem Besuch seine letzte Führung absolvierte.
Eigentlich sollte dieser Artikel die prächtige und durchdachte Staudenpflanzung hervorheben, die gerade in Zeiten von sich ändernden klimatischen Bedingungen pflegeleicht und attraktiv bleiben. Doch nun ist der Hermannshof einer düsteren Zukunft gewidmet, die wichtiger zu erzählen ist. Seit Februar 2023 ist dieser in Fachkreisen weltweit bekannte Garten kein Sichtungsgarten mehr. Der Verein trennte sich von seinem renommierten und global anerkannten Professor und verweist den Garten in die Zukunft einer touristischen Attraktion. Die Fachwelt schreit auf. Auch gartenbegeisterte Besucher sind irritiert. Cassian Schmidt war nicht nur in Fachkreisen bekannt, sondern fand sein interessiertes Publikum auch unter einer Vielzahl leidenschaftlicher Hobbygärtner.
Der Schaugarten ist international, wie national Wegweisend für die Erforschung und Erprobung klimatauglicher Pflanzkombinationen. Ein wichtiger Ansatz zur Gestaltung moderner Gärten, die den immer extremer werdenden Wetterverhältnissen trotzen müssen. Dabei wurden auch ästhetische Aspekte berücksichtigt, die gerade für die Gestaltung von öffentlichen und privaten Gärten eine wichtige Rolle spielen. Wie auch der geringe Pflegeaufwand und eine lang anhaltende Attraktivität. Alles Schwerpunkte des Sichtungsgartens die nun eine große Lücke in die wissenschaftliche Forschungslandschaft reisen. Mit diesem Beschluss bekommt der Ruf der deutschen Gartenkultur national, sowie international deutliche Kratzer!
Doch was führt zu dieser Entscheidung? Die Beteiligten hüllen sich in Schweigen. Scheinbar spielt die finanzielle Situation den Hauptgrund bei dieser Entscheidung. Es soll Verhandlungen mit der Firma Freudenberg und deren Unternehmerfamilie gegeben haben. Zudem wurde das Landwirtschaftsministerium eingeschaltet, um weitere finanzielle Möglichkeiten zu erörtern, doch nichts half! Das Aus des Sichtungsgartens ist nun beschlossen! Ob der finanzielle Aspekt allein zu dieser Entscheidung führt, ist unklar. Es gibt Gerüchte, dass Cassian Schmidt nicht einmal mehr an seine Forschungsunterlagen kommt. Auch Führungen wurden abgesagt. Kooperationspartner, wie die “FH Erfurt” oder der “Bund deutscher Staudengärtner” sind ohne Vorwarnung vor den Kopf gestoßen und empört!
Wie die Zukunft des Gartens aussehen soll, ist nicht gewiss. Klar ist, dass der Garten öffentlich zugänglich bleiben soll. Ein kleiner Wermutstropfen für alle Fans des Hermannshofs. Ob er allerdings seine Attraktivität behält und weiterhin als Anziehungspunkt der deutschen Gartenkultur dienen wird, muss sich noch zeigen. Seine Bedeutung ist bereits verloren. Man kann nur hoffen, dass er zumindest als Naherholungsort für die weinheimer Bürger erhalten bleibt. Cassian Schmidt muss sich sicher keine Sorgen um seine Zukunft machen, er bleibt weiterhin gefragt. Was er noch braucht, ist ein Garten, der zukünftig anstelle des Hermanshofs als Leuchtturm der Gartenkultur weit über die Grenzen hinaus leuchtet.
In tiefer Trauer (und Empörung),
Dein Sven.
4 thoughts on “Nachruf für den Hermannshof”
Hallo Sven,
danke dir für diesen informativen und so schön bebilderten Post und den doch so traurigen Nachruf auf den Hermannshof in Weinheim. Schon lange ist er mir ein Begriff und immer wollte ich hin, jedoch ist nun die Ära unter Cassian Schmidt vorbei – dieser wurde ja immer mit dem Hermannshof in einem Atemzug genannt.
Lieben Gruß von Marita, die diese Information erst bei dir erhalten hat.
Hallo Sven ,
ohne Cassian Schmidt wird der Hermannshof zwar immer noch eine schöne Grünanlage und auch schön zum Besuchen sein , aber viel Neues wir da wohl nicht mehr dazu kommen .
Der Forscher ist ja nicht mehr vor Ort .
L.G. Reinhold
Vielen Dank für die umfassende aktuelle Information! Cassian Schmidt habe ich durch seinen Vortrag “Magische Landschaften” auf dem Berg Lushan in China kennengelernt. Cassians Staudenkonzepte haben eine internationale Fangemeinde. Ich bin dankbar dafür, dass er uns für den öffentlich zugänglichen Lustgarten-Kunstpfad in Diemelstadt einen Studenten für seine Bachelorarbeit geschickt hat. Barbara Beisinghoff
Liebe Barbara,
dankeschön für Deinen Kommentar. Ich bin gleich neugierig geworden und habe mich auf Deiner Seite umgesehen. Ich bin begeistert, was ich dort entdeckt habe. Vielleicht kommst Du mit einer Ausstellung auch mal in unsere Nähe? Gerne darfst Du mich in Deinen Verteiler aufnehmen. Hast Du im Lustgarten auch etwas ausgestellt? Kunst und Garten sind immer eine tolle Kombination und viele Künstler haben auch grandiose Gärten geschaffen…
Liebe Grüße,
Sven.